Clara Kindler (EUV – Frankfurt/Oder)

Die Anton-Hofreiter-Experience. Affektmodulation politischer Reden im Vergleich

(Kurzdarstellung des Dissertationsprojekts sowie Bildauszüge aus einer Fallstudie, work-in-progress)

Das Promotionsprojekt stellt anhand von Parteitagsreden die Frage nach dem Zusammenhang von Affektmodulation und politischem Handeln in der Entfaltung eines geteilten Gemeinsinns. Aus einer medienlinguistischen Perspektive zeigt sich dabei Affektmodulation als ein Zusammenspiel sprachlicher und audiovisueller Modalitäten die eine holistische Wahrnehmungsgestalt entfalten.

Diese Fallstudie zeichnet, aufbauend auf dem methodischen Vorgehen CineMet (Müller/Kappelhoff 2018) diese Entfaltung nach. Dazu werden Methoden der multimodalen Linguistik und der Filmanalyse verknüpft um eine möglichst ganzheitliche Analyse auf drei Ebenen zu ermöglichen:

  1. Deskriptive Analyse: Als größte Einheit werden die Reden in ihrer Gesamtgestalt als Ausdrucksbewegungen betrachtet, welche wiederum aus mehreren Ausdrucksbewegungseinheiten (ABE) mit spezifisch-rhythmischen Bewegungsmustern bestehen. Diese werden mithilfe eines bestimmten Bewegungsvokabular beschriebn, das sich an den dynamischen Vitalitätsformen von Stern (2011) orientiert. Die deskriptive Analyse schließt außerdem die schematische Visualisierung der Bewegungsdynamiken ein. Die ABEs werden nach low oder high affective engagement unterteilt.
  1. Analyse der Affektmodulation durch foregrounding Analyse der ABEs: Die ABEs mit high affective engagement werden zunächst beschrieben und dann auf ihre vordergründigen Modalitäten hin analysiert (hier: Lautsprache, einschließlich prosodischer Mittel, Hand- und Körpergesten, Kameraeinstellung, Einstellungswechsel, Montage). Ziel ist es, im Sinne des foregroundings (Müller/Tag 2010) multimodale Muster aufzuzeigen, die als Hinweis fokussierter, geteilter Aufmerksamkeit in der Interaktion verstanden werden. Dadurch können die zuvor beschriebenen Dynamiken empirisch rückgebunden werden.

  1. Gestenanalyse als Detailanalyse: Die Detailanalyse wirft einen Blick auf die Rolle von Handgesten innerhalb der Affektmodulation. Dafür werden single und complex stroke phrases unterschieden und analysiert (Parameter: Form, Bewegungsqualität, Größe und Ausführung im Gestenraum) (Bressem 2013; Müller 1998). Die Analyse soll zeigen, wie sich das Zusammenspiel von Handgesten und audiovisuellen Modalitäten auf das foregrounding auswirkt.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die mediale Einbettung der Reden eine fünfteilige Typologie im Spektrum zwischen „Präsenzrede“ und „Kurzfilm“ ermöglicht, die sich in ihren Affektdynamiken deutlich unterscheiden. Am deutlichsten wurde dies bisher am foregrounding bzw. backgrounding der redebegleitenden Handgesten.

Sobald eine größere Datenmenge erfasst ist, soll überprüft werden, ob sich Cluster bestimmter Affektmuster beschreiben lassen, die bspw. auch in Bezug auf ihre Sprachhandlungen oder Cinematic Metaphors Affektkategorien bilden. In einem abschließenden Schritt sollen diese Cluster vor dem Hintergrund der Affektmobilisierung betrachtet werden.

Clara Kindler

Clara Kindler ist Doktorandin im internationalen Promotionsstudiengang „Kulturwissenschaften“ an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) (Arbeitstitel: Affekt und Interkorporalität in politischer Kommunikation. Ein medienlinguistischer Beitrag aus der Multimodalitätsforschung) und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Sprachgebrauch und multimodale Kommunikation (Prof. Dr. Cornelia Müller). Nach ihrem Bachelorabschluss (Kulturwissenschaften) schloss sie 2020 ihr Masterstudium der Sprach- und Medienwissenschaft (Sprache-Medien-Gesellschaft) an der Europa-Universität Viadrina mit Auszeichnung ab (Titel der Arbeit: Bedeutungskonstitution und leibliches Verstehen. Onomatopöie als Form multimodaler Kommunikation im Tanzunterricht). In ihrer deutlich empirisch geprägten Forschung konzentriert sie sich insbesondere auf Prozesse der Bedeutungsentfaltung als eingebettete multimodale Strukturen von Lautsprache, Hand- und Körpergesten. Dabei kombiniert sie linguistische Ansätze, wie z.B. der Konversationsanalyse, Gestenanalyse und kognitive Metaphernanalyse mit phänomenologisch und ausdrucktheoretisch begründeten filmwissenschaftlichen Ansätzen. Derzeit ist sie Mitglied in dem von der DFG geförderten interdisziplinären Projekt „Multimodal Stancetaking: Expressive Movement and Affective Stance. Politische Debatten im Deutschen Bundestag und im polnischen Sejm“. Dort analysiert sie Ausdrucksbewegungen politischer Reden und deren affektiven Qualitäten, wobei sie die multimodale Orchestrierung von verbaler Äußerung und Hand-/Körpergesten hervorhebt.